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Wohnraumspende, eine Erfolgsgeschichte

Vor Krieg und Zerstörung flohen die beiden damals 16- und zwölfjährigen Brüder aus Aleppo, ein Paar aus dem Weinviertel nahm sie nun bei sich auf.
Als Frau und Herr H. im Sommer dieses Jahres im begrünten Innenhof des angemieteten Hauses im Weinviertel sitzen, überkommt es sie: "Wir wollen helfen, wir müssen etwas tun", sagt Frau H. zu ihren Kindern, die gerade zu Besuch sind. Die warmherzige Dame Mitte 50 und ihr Partner verfolgten über viele Wochen die Berichterstattung über die Tausenden Menschen, die in Schlauchbooten die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer auf sich nehmen; und die vielen Frauen, Männer, Kinder, die dabei bereits ihr Leben lassen mussten. "Man fühlt sich hilflos, man kann schließlich nicht all den Menschen helfen – aber einigen!", verdeutlicht Frau H. heute ihren Entschluss.

Zuerst haben sie versucht die leerstehende Wohnung auf ihrem Hof über die Wohnberatung Niederösterreich der Diakonie zu vermitteln. "Die Mitarbeiter waren sehr hilfreich", schildert die zierliche Frau, jedoch scheiterte es letztlich aus finanziellen Gründen. Miete wollte man so und so keine verlangen, jedoch hätte die Aufnahme eines Vaters mit zwei Kindern, die zu diesem Zeitpunkt noch keinen positiven Asylbescheid besaßen, dazu führen können, "dass man über die ersten Monate anfallende Kosten für sie übernehmen muss", wie eine Mitarbeiterin der Diakonie erklärt habe.

Der Grund hierfür: AsylwerberInnen müssen in der Regel vier bis sechs Wochen warten, bis sie ihre erste Sozialleistung erhalten, die Grundversorgung beträgt dann 320 Euro für Erwachsene und 90 Euro für minderjährige AsylwerberInnen, wobei der Mietkostenzuschuss in der Höhe von 240 Euro bereits inkludiert ist.

Neues Zuhause


Nach eingehender Beratschlagung entschlossen sich Frau und Herr H. schließlich dazu, die Wohnung bereits anerkannten Flüchtlingen, die nach positivem Asylbescheid rasch aus ihrer bisherigen Unterkunft ausziehen müssen, zur Verfügung zu stellen.

Durch einen Tipp ihrer Tochter sei Frau H. auf die Wohnungsplattform Heimatsuche.at gestoßen, wo sie bereits kurze Zeit später die Wohnung annoncierte. Die kostenlose Plattform wurde Ende 2015 von den Grazern Philipp Babcicky und Iris Topolovec mit dem Ziel "einigen Menschen die Suche nach einer neuen Heimat in Österreich erleichtern zu können" ins Leben gerufen. Diese funktioniert wie eine reguläre Plattform zur Vermittlung von Wohnraum, jedoch mit dem Zusatz, dass Menschen mit positivem Asylbescheid als Mieter*innen ausdrücklich erwünscht sind.

Bereits wenig später erhielt Frau H. einen Anruf von einem jungen Herrn: "Wir sprachen auf Englisch und er war sehr höflich. Er wollte sich mit seinem kleinen Bruder die Wohnung ansehen kommen." Noch am selben Tag fand die Besichtigung statt.

"Die beiden kamen auf Fahrrädern, ganz alleine", lächelt Frau H., "das hat mich überrascht". Für die zwei jungen Brüder, Mohammad, 20 und Zakaria, 16, war die Wohnung genau das Richtige; erst kürzlich erhielt Mohammad seinen positiven Asylbescheid, weshalb er nun aus seiner Unterkunft in einer nahegelegenen Ortschaft ausziehen musste, erzählte der Jugendliche. Der kleine Bruder durfte trotz noch nicht bearbeitetem Asylantrag mitkommen.

Wenige Tage darauf setzte man auch schon den Untermietvertrag auf und die beiden Jugendlichen bezogen ihr neues Zuhause.

Neues Leben


2012 starteten bewaffnete Auseinandersetzungen und Bombenanschläge in ihrer Heimatstadt, Krieg und Zerstörung waren in Aleppo angekommen. Noch im selben Jahr flüchtete die Familie in die Türkei. Zukunftsperspektiven gab es jedoch auch hier keine, keine Möglichkeit eine Schule zu besuchen, die Ausbildung fortzusetzen oder einem Job nachzugehen. Die Verzweiflung wuchs, 2015 beschlossen die Brüder letztlich gemeinsam mit einem Cousin die lebensgefährliche Reise auf sich zu nehmen: Mit dem Boot über die Ägäis, von Griechenland zu Fuß über die Westbalkan-Route, bis nach Österreich. ("The Washington Post" begleitete eine syrische Familie auf ihrer Reise von Aleppo bis Gmünd.)

Hier möchten sie sich nun ein neues Leben aufbauen. Auf unsere Frage, ob sie sich denn bereits eingelebt haben, antwortet Mohammad, der nach wenigen Monaten bereits gebrochenes Deutsch spricht, dass sie sich dank ihrer Vermieter sehr wohl fühlen, "das hilft uns die schlimmen Erlebnisse zu vergessen".

Ein wenig Sorge haben sie allerdings noch, denn sie hoffen auf einen baldigen positiven Asylbescheid für Zakaria. Wenn Mohammad eine Zeit lang gearbeitet und ausreichend verdient hat, möchte er sein Elektrotechnik-Studium nachholen. Er freut sich schon sehr auf den Deutschkurs des AMS, der am Montag startet.