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Tausende bei Mahnwache in Wien

Nach der größten Flüchtlingskatastrophe, die sich im Mittelmeer je ereignet hat.
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© Josef Schmidt
800 Flüchtlinge sind in der Nacht auf Sonntag, 19. April, im Mittelmeer ertrunken. Es war die größte Flüchtlingskatastrophe, die sich im Mittelmeer je ereignet hat.

Europa reagiert betroffen, viele Österreicher sind schockiert. Am Montagabend gedachten rund 3.000 Menschen am Wiener Minoritenplatz der namenlosen Toten, zeigten ihre Solidarität.

Organisiert wurde die stille Kundgebung von der Caritas, dem Österreichischen Roten Kreuz, der Volkshilfe Österreich, SOS Mitmensch, Amnesty International, Diakonie Österreich, UNHCR Österreich und dem Integrationshaus Wien.

Zahlreiche Politiker folgten dem Aufruf: Bundeskanzler Werner Faymann, Familienministerin Sophie Karmasin, Landwirtschaftsminister Andre Rupprechter, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Eva Glawischnig, Peter Pilz, Maria Vassilakou, Matthias Strolz, Doris Bures...

Bundespräsident Heinz Fischer forderte in seiner Rede am Minoritenplatz ein Umdenken in der europäischen Migrationspolitik: "Die bisherige Politik auf diesem Gebiet kann, so wie sie war, nicht fortgesetzt werden."

"Schande für Europa" nannte Caritas-Präsident Michael Landau das Flüchtlingsdrama. "Diese Katastrophe macht so betroffen, weil sie eine Katastrophe mit Ansage ist und wir diese Menschen sehenden Auges ertrinken lassen haben", sagte Diakonie-Direktor Michael Chalupka.

Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien, und Corinna Milborn moderierten die Veranstaltung.

Schwertner zeigte sich verwundert von der alleinigen Schuldzuweisung an die Schlepper. "Vorher wurde ein System aufgebaut, das es Flüchtlingen nicht möglich macht, legal nach Europa zu kommen. Man sagt, die Genfer Flüchtlingskonvention gilt - das ist internationales Recht. Und dann unternehmen wir alles, die Menschen davon abzuhalten, ihrem Recht nachzukommen und verurteilen andere, die ihnen dabei helfen."

Puls4-Moderatorin Milborn beeindruckte der Auftritt eines 16-jährigen Somali am meisten.
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© Josef Schmidt

Nur 28 gerettet

Nur 28 Menschen konnten gerettet werden, erst 24 Leichen wurden geborgen. Die meisten Toten sanken mit dem Schiffswrack auf den Meeresboden. Das Mittelmeer ist an der Unglücksstelle - 110 Kilometer nördlich der libyschen Küste, 200 Kilometer vor der italienischen Insel Lampedusa - sehr tief.

Das Boot hatte Samstagnacht gegen 23:30 Uhr ein Notsignal abgesetzt. Das Schiffsunglück soll von einer Kollision zwischen dem schwer beladenen Flüchtlingsboot und einem portugiesischen Handelsschiff verursacht worden sein, das den Flüchtlingen helfen wollte. Nach der Kollision soll auf dem Flüchtlingsschiff Panik ausgebrochen sein, woraufhin das Flüchtlingsboot umgekippt sei. Die meisten Flüchtlinge waren unter Deck eingesperrt und hatten keine Chance, sich zu retten.

Die Überlebenden erzählten, dass das Flüchtlingsboot am Samstag von einem Hafen nahe Tripolis in See stach. Die Migranten wurden ein Monat lang in einem Bauernhof gefangen gehalten, bevor sie abfahren durften. Bis zu 1.500 Dollar pro Person musste sie für die Reise nach Italien zahlen.

Unter den 28 Überlebenden befindet sich auch der Kapitän des Schiffs, ein 27-jähriger Tunesier. Überlebende berichteten, der Kapitän habe an Bord Alkohol getrunken und Haschisch geraucht. Der 27-jährige Tunesier und ein weiteres Besatzungsmitglied, ein 25-jähriger Syrer, wurden festgenommen.

Laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) sind heuer 30 Mal so viele Menschen bei ihrer Flucht übers Mittelmeer gestorben als im Vergleichszeitraum 2014. 2015 starben schon 1.750 Flüchtlinge im Mittelmeer - 56 Todesopfer waren es zu dieser Zeit im Vorjahr.

Spenden für die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer

MOAS (Migrant Offshore Aid Station) ist eine gemeinnützige Stiftung die 2013 von dem amerikanisch-italienischen Ehepaar Christopher und Regina Catrambone gegründet wurde. 2014 konnten mithilfe ihres 40 Meter Schiffes und ihrem Team aus erfahrenen Rettern und Notärzten innerhalb von zwei Monaten rund 3.000 Menschen gerettet werden. Am 2. Mai soll unter Zusammenarbeit mit Ärzte ohne Grenzen die nächste Rettungsaktion starten, für welche die Organisation dringend auf Spenden angewiesen ist.

Sea-Watch ist ein Projekt, welches im November 2014 von rund zwei Dutzend Freiwilligen aus ganz Deutschland initiiert wurde. Der Kauf und Umbau des Schiffes der Sea-Watch wurde gänzlich aus Spenden finanziert; am 19. April legte das Boot der Sea-Watch ab und machte sich mitsamt der engagierten Helfer auf den Weg zum Einsatzgebiet nordwestlich der lybischen Küste. Spenden für die Privatinitative können über die Homepage getätigt werden.
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