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Flüchtlingshilfe: Bund will NGOs Spenden entziehen

Das Innenministerium verlangt die Offenlegung jener Spendengelder, die zwölf NGOs seit Sommer 2015 für ihre Versorgung von Transitflüchtlingen erhalten haben. Diese sollen von den Förderungen, die den NGOs zustehen, nun abgezogen werden.
Tausende Menschen protestierten am Samstag, den 19. März, weltweit für eine menschliche Asylpolitik.  © spendeninfo.at / Hannah Hauptmann
Tausende Menschen protestierten am Samstag, den 19. März, weltweit für eine menschliche Asylpolitik. © spendeninfo.at / Hannah Hauptmann
Als sich das Innenministerium mit den Flüchtlingsströmen im Sommer sichtlich überfordert zeigte, übernahmen umgehend zahlreiche österreichische Hilfsorganisationen wie auch Privatinitiativen die Versorgung der Schutzsuchenden. Für jene Hilfe für Transitflüchtlinge, die sie seit 4. September 2015 leisten, erhalten zwölf österreichische NGOs unter Bezugnahme auf eine Sonderrichtlinie des Bundesministeriums für Inneres (BMI) vom 23. Oktober 2015 Förderungen für aufgewendete Kosten.

Während die Vereine seither vertragsgemäß jeweils am fünften des Folgemonats ihre Kosten für die Versorgung Schutzsuchender einreichen und zurückerstattet bekommen, sind mittlerweile die Beträge für Jänner und Februar ausständig. Einige Hilfsorganisationen werden damit "an den Rand der Zahlungsunfähigkeit" gedrängt, wie Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant vom Roten Kreuz, im "Ö1"-Morgenjournal vergangenen Freitag betonte.

"Missbrauch des Spendengedankens"

Wie heute bekannt wurde, wurden diese Vereine nun in einem Schreiben des Innenministeriums vom 10. Februar um Bekanntgabe jener Spendeneinnahmen gebeten, die sie seit 4. September 2015 konkret für die Versorgung von Transitflüchtlingen erhielten. Die meisten Hilfsorganisationen jedoch hielten sich zu diesem Schreiben bislang bedeckt; die Ursache könnte die gerade in Verhandlung stehende Verlängerung dieser Verträge von Seiten des Innenministeriums – mit März laufen diese aus – sein.

Als erster Verantwortlicher der betroffenen NGOs, der sich zu dem Sachverhalt äußerte, zeigte sich Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe, empört über das Vorhaben als "eine Form der Privatisierung der Republik".

Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria (FVA), ließ seiner Verärgerung ebenfalls freien Lauf und betitelte das Vorhaben des Innenministeriums als "Anschlag auf das Spendenwesen in Österreich", sowie einen "Missbrauch des Spendengedankens". Schließlich fasste der Chef des FVA die Situation zusammen: "Genauso gut könnten die Spender ihren Beitrag gleich ans Innenministerium überweisen."

Gegenrechnen der Spendeneinnahmen rechtskonform?

Schließlich stellt sich die Frage, ob dieses Vorgehen von Seiten des Bundes gar rechtskonform sei. Diesbezüglich sprach sich Daniel Ennöckl vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien gegenüber "Ö1" dafür aus, dass es durchaus rechtlich problematisch sei, ohne jeglicher sachlicher Rechtfertigung, Beiträge für Vereine zu reduzieren.

In seinem Kommentar stellt Michael Möseneder im "Standard" hingegen die Frage in den Raum, inwiefern die betroffenen Hilfsorganisationen das Kleingedruckte in den Verträgen nicht gesehen oder auch verstanden hätten. Denn in der Sonderrichtlinie wird klar auf allgemeine Förderungsbedingungen des Bundes verwiesen, demnach "grundsätzlich nur jene Kosten förderbar sind, die (…) nicht durch Zuwendungen Dritter (insbesondere Spenden) abgedeckt sind". Günther Lutschinger behauptete hingegen, dass selbstverständlich alle NGOs die Formulierung in der Sonderrichtlinie gekannt hätten, dass diese jedoch im Bereich der Flüchtlingshilfe völlig unangebracht sei.

Die Johanniter dürften dies jedenfalls als einzige der zwölf Hilfsorganisationen besonders schlau gelöst haben - sichtlich haben sie das Kleingedruckte in den Verträgen gelesen und auch ernst genommen: unter dem Spendenzweck "Flüchtlingshilfe" fügten die Johanniter die Information bei, dass Spenden ausschließlich für jene Projekte verwendet werden, die nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werden können".

Keine Äußerungen bei Pro-Asyl-Demo

Erst am Samstag, den 19. März bekundeten weltweit zahlreiche Menschen bei Protesten ihre Solidarität mit Geflüchteten und sprachen sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus, so auch in Wien. Doch kein/e Vertreter*in einer NGO, Flüchtlingsinitiative oder politischen Gruppierung thematisierte während der Demonstration das Vorhaben des Innenministeriums, die Förderungszahlungen des Bundes mit den Spendeneinnahmen von zwölf Organisationen gegenrechnen zu wollen, die für die Versorgung von Transitflüchtlingen zuständig sind.

Dass seit Jänner keine der Fördergelder mehr ausbezahlt wurden – ein Umstand, von dem beispielsweise Train of Hope sowie die Volkshilfe, als Unterstützer der Demo, betroffen sind – wurde ebenfalls nicht angesprochen. Auch dies lässt also vermuten, dass die Betroffenen unter enormen Druck stehen und womöglich die Verlängerung ihrer laufenden Verträge mit dem Bund nicht behindern wollten, in dem sie öffentlich Kritik äußerten. Ob die Sonderrichtlinie mitsamt der beschränkten Förderbedingungen auch in den neuen Verträgen der zwölf NGOs und Initiativen aufscheinen wird, ist noch nicht bekannt.