Skip to main content

Wenn Obdachlose mit Studierenden leben

Mitten in der Stadt liegt der bereits dritte Standort des Wiener Vereins Vinzenzgemeinschaft St. Stephan – mittendrin also, wie schon der Name verrät. Seit 2013 bietet die VinziRast-mittendrin Wohnungen für Studierende und Obdachlose, aber auch ein Integrationsprojekt und ein Restaurant sind Bestandteil des innovativen Konzepts.
Projekt des Monats: VinziRast-mittendrin © spendeninfo.at / Hannah Hauptmann
Einst eine Kinderwagenfabrik, bietet das Gebäude in der Währingerstraße 19 heute ein Zuhause für 27 Studierende und ehemals Wohnungslose. Dass die Einrichtung unweit des Stadtzentrums und obendrein auf einer stark frequentierten Ausfallstraße liegt, ist dabei Teil des Gesamtkonzepts: "Das ist eine Umgebung, die für ehemals Obdachlose wirklich einzigartig ist und ihr Leben einfach bereichert", wie Christian Spiegelfeld, Geschäftsführer der Einrichtung, im Interview mit Spendeninfo.at erklärt.

Die Menschen wohnen dabei nicht nur zusammen in einem Haus, sie kochen gemeinsam, verbringen ihre Freizeit häufig miteinander, sie arbeiten und leben mit- und lernen voneinander. Ein weltweit bislang einmaliges Konzept.

Bedingungslose Hilfe für Obdachlose

Schätzungsweise 8.000 Menschen leben in Wien dauerhaft auf der Straße, rund 7.100 Wohnungslose nehmen zumindest teilweise Obdachloseneinrichtungen in Anspruch; wie etwa jene der VinziRast.

Bis zu 60 Menschen übernachten täglich in der VinziRast-Notschlafstelle in Wien Meidling. 29 Personen leben zudem längerfristig in den insgesamt 16 darüber gelegenen Wohnungen, sechs abstinent lebende Alkoholkranke kommen in der nur vier Häuser weiter liegenden Wohngemeinschaft unter. Die Besonderheit der Notschlafstelle: Menschen können "ihre Hunde mitbringen, Pärchen dürfen gemeinsam im Bett schlafen, auch Ausländer und Drogensüchtige können hier übernachten", wie Cecily Corti, Obfrau und Gründerin des Vereins, beschreibt.

Niederschwellig und bedingungslos, so könnte man die Grundsätze der Vereinsarbeit formulieren. Ohne jegliche Förderung durch öffentliche Gelder ist der Verein durchwegs auf private Spenden angewiesen. Dennoch weitet die VinziRast ihre Vereinsarbeit für wohnungslose Menschen stetig aus, 2013 eröffnete sie ihr bislang viertes Projekt – zentral gelegen, keine zehn Gehminuten von der Wiener Innenstadt entfernt.

Vom Rand in die Mitte der Gesellschaft

Die Geschichte dieses Projekts, der VinziRast-mittendrin, geht bis ins Jahr 2009 zurück, als Studierende im Zuge der "Unibrennt"-Demos das Audimax der Wiener Hauptuniversität besetzten. Schon nach kurzer Zeit gesellten sich Obdachlose hinzu; man kochte zusammen, lernte sich kennen, ein Austausch fand statt. 61 Tage und Nächte verbrachte man schließlich zusammen im größten Hörsaal Österreichs.

Als die Besetzung dann vorbei war, beschlossen die Studierenden, sich weiter um die Menschen zu kümmern, den Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Obdachlosen nicht abreißen zu lassen. Einige Studierende schlossen sich daraufhin zusammen, sie feilten an einem Konzept und machten sich auf die Suche nach einem passenden Objekt für ihre Ideen. Das seit 2005 leerstehende "Putzi-Paradies", eine ehemalige Kinderwagenmanufaktur auf der Währingerstraße 19, war, so dachten die Initiator*innen, perfekt dafür geeignet.

Anders als sooft sollte diese Einrichtung für und mit Obdachlosen nicht am Rande der Stadt liegen – es galt, die "Menschen vom Rand der Gesellschaft in die Mitte zu holen" wie Cecily Corti einen der zentralsten Bausteine des Konzepts erklärt. Ihr Verein sollte die Ursprungsidee der Studierenden ausbauen, mithilfe des Industriellen und langjährigen Förderers der VinziRast, Hans Peter Haselsteiner, wurde dies möglich.

Nachdem Haselsteiner seine Unterstützung für das Projekt zusicherte, wurde rund zwei Jahre an der Projektkonzeption gearbeitet: "Die Studenten wollten das vielleicht nicht so perfekt wie wir, uns ist es doch auch darum gegangen, dass das Haus selbst einen Ertrag erwirtschaftet", beschreibt Christian Spiegelfeld, Geschäftsführer des Hauses, die Entstehungsphase des Projekts. Vor allem, um nicht auf öffentliche Fördergelder angewiesen sein zu müssen und nachhaltig als selbsterhaltende Einrichtung bestehen zu können, wie Spiegelfeld weiter ausführt.

Ein weltweit einmaliges Projekt

Kaum eröffnet, sorgte die VinziRast-mittendrin auch schon für großes Aufsehen. Zahlreiche Medien berichteten über das Haus, das längst nicht nur eine Wohngemeinschaft für ehemals Wohnungslose und Studierende umfasst.

In der Einrichtung befindet sich auch das Projekt VinziChance, eine Werkstatt, die als Beschäftigungsmöglichkeit sowie zur Mitteleinbringung durch den Verkauf der handgefertigten Werke dient. Die drei Werkräume stehen den Bewohner*innen des Hauses, obdachlosen Personen und seit 2015 – als Integrationsprojekt – auch geflüchteten Menschen zur Verfügung. Ehrenamtliche Fachleute unterstützen die Menschen bei ihrer Arbeit mit Holz und Textilien und der Reparatur von Fahrrädern. Die Geflüchteten erhalten zudem ein warmes Mittagessen und eine Stunde Deutschunterricht.

Das Aushängeschild der Einrichtung ist das Lokal "mittendrin", welches nicht zuletzt auch als "Ort der Begegnung mit der Außenwelt" fungiert, wie es Christian Spiegelfeld beschreibt. Vor allem aber bietet das von Beginn an vielbesuchte Café und Restaurant den Bewohner*innen auch eine Beschäftigungsmöglichkeit im Servicebereich oder der Küche, damit auch eine Verdienstmöglichkeit und vor allem eine Tagesstruktur. Das Lokal spielt darüber hinaus eine entscheidende Rolle für die Selbsterhaltung des Projekts.

"Es gibt genügend Lokale, aber was Wien braucht, ist die Begegnung mit der Obdachlosigkeit", beschreibt Spiegelfeld den Nutzen des "mittendrin". Gäste des Lokals "sollen Kontakt haben können mit den Menschen die hier sind – und wieder hinausgehen und sozusagen das Positive mit in ihr Leben nehmen".

Zeit-, Sach- und Geldspende

Wie auch die anderen Projekte des Vereins, lebt die VinziRast-mittendrin ausschließlich von privaten Spenden. Abgesehen von einer Wohnbauförderung der Stadt Wien, wird auch diese Einrichtung des Trägervereins Vinzenzgemeinschaft St. Stephan ohne öffentliche Gelder und somit ausschließlich mittels privater Spenden betrieben.

Unterstützung kann der VinziRast-mittendrin demnach in vielerlei Hinsicht geboten werden. Ehrenamtliche Mitarbeit gilt als zentraler Grundpfeiler des Projekts und ist in den unterschiedlichsten Bereichen möglich; angefangen bei der längerfristigen Begleitung der Bewohner*innen der Wohngemeinschaften, über handwerkliche Unterstützung in der Werkstätte, bis hin zu Personen, die Nacht- und Abenddienste in der VinziRast-Notschlafstelle übernehmen.

Auch für Sachspenden ist der Verein stets dankbar – eine Wunschliste mit Gebrauchsgegenständen ist auf der Website des Vereins einzusehen. Stets kann natürlich auch an die VinziRast herangetreten werden, wenn anderweitige Sachen gespendet werden möchten.

Zu guter Letzt ist die VinziRast natürlich vorwiegend auf monetäre Spenden angewiesen, sie ermöglichen den Erhalt der umfassenden Vereinsarbeit und somit auch der VinziRast-mittendrin. Zweckgebundene Spenden für ein spezifisches Projekt des Vereins sind grundsätzlich nicht üblich, allerdings nach Absprache durchaus möglich.

"Projekt des Monats" - Zahlen & Fakten

Vinzenzgemeinschaft St. Stephan (VinziRast)
  • Der Verein "Vinzenzgemeinschaft St. Stephan" wurde 2003 gegründet, Obfrau ist Cecily Corti
  • Am 6.4. 2004 findet die Eröffnung der VinziRast-Notschlafstelle in der Wilhelmstraße 10 statt. Die Einrichtung bietet täglich rund 60 Obdachlosen ein Dach über dem Kopf.
  • 2008 wird die Notschlafstelle durch 16 darüber gelegene Wohnungen aufgestockt, das VinziRast-CortiHaus entsteht. Knapp 30 Personen finden hier eine längerfristige Unterkunft.
  • 2010 kann nur vier Häuser weiter – auf der Wilhelmstraße 2 – die VinziRast-Wohngemeinschaft für abstinent lebende alkoholkranke Obdachlose eröffnet werden. 6 Menschen leben heute in den Wohnungen.
  • Im Mai 2013 eröffnet die VinziRast-mittendrin mit zehn WGs für 27 ehemals Wohnungslose und Studierende.
  • Seit Oktober 2014 können sich Obdachlose bzw. Bewohner*innen der darüber liegenden Wohnungen der VinziRast-mittendrin im Zuge des Projekts VinziChance in der Werkstatt handwerklich betätigen. Zusätzlich profitieren seit Jahresbeginn 2015 auch geflüchtete Menschen von dem Angebot, die zudem ein Mittagessen und Deutschunterricht geboten bekommen.
  • Im Sommer 2016 eröffnete in der Wilhelmstraße 2 mit VinziRast-Home das neuste Projekt des Vereins. Acht geflüchtete Menschen mit positivem Asylbescheid können in den Wohnungen allmählich Fuß fassen.

VinziRast (Spenden steuerlich absetzbar)
IBAN: AT58 1200 0514 1353 3033