2015, als die Not der in Österreich angekommen Flüchtlinge immer deutlicher wurde, waren sie eine der Ersten. Im Nu schafften sie das, woran Bund und Länder längst zu scheitern schienen. In ihrer Gemeinde schufen sie Wohnraum für die Neuankömmlinge, stellten ihnen das Notwendigste zum Leben zur Verfügung. Im Süden Wiens, im wohlhabenden Perchtoldsdorf, schlossen sich engagierte Bürger*innen zusammen, und zeigten, was in kürzester Zeit alles möglich war. Aus einer Idee, die 2014 in der Vorweihnachtszeit erstmals aufkeimte, entstand schon kurz nach dem Jahreswechsel das Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf. Eine Freiwilligeninitiative, die es sich zum Ziel machte, die Menschen, die in ihrem Ort ankamen, herzlich aufzunehmen, ihnen die beste Grundlage zu bieten, sich rasch einzufinden, und anzukommen.
Durch die angebotene Kinderbetreuung ermöglicht das Netzwerk auch Müttern die Teilnahme an den Deutschkursen. © spendeninfo.at / Lisa Hummel
Integration durch Frauen und Kinder
Während sich der Bedarf weg von der Soforthilfe, hin zu Integrationsmaßnahmen gewandelt hat, passte das Flüchtlingsnetzwerk auch seine Projekte an. Hauptfokus liegt heute auf der umfassenden Begleitung der Geflüchteten bei Alltagsthemen wie etwa Behördengängen und den begehrten Deutschkursen, die mittlerweile gar von Bewohner*innen umliegender Gemeinden aufgesucht werden. "Der Deutschkurs ist auch unser Herz des Netzwerks", hebt Vereinsobfrau Doris Fischer-See hervor. Damit auch Mütter an den täglichen Kursen teilnehmen können, wird neben den Deutschtrainings in vier unterschiedlichen Leistungsgruppen auch eine professionelle Kinderbetreuung geboten. Und die Vize-Obfrau und Leiterin des Sprachprojekts, Elisabeth Petz-Höllrigl, ergänzt: "Inzwischen haben wir durch die Kinderbetreuerin die Möglichkeit, dass die Mütter in Ruhe am Kurs teilnehmen können und sich auf die Sprachprüfung vorbereiten können." Die Kinderbetreuung sei dabei nur ein Teil des frauenfördernden Ansatzes im Netzwerk, wie Fischer-See hinzufügt: "Wir haben mit women@work, einer Workshop-Reihe mit Kolleginnen aus dem Human Ressources-Bereich, einen eigenen Workshop entwickelt, der die Frauen bei uns ermächtigen soll, hier einen Job zu ergreifen." Diese umfassende Förderung ziele indes auf eine besonders wirksame Integration ab, erklärt Fischer-See. Denn die Frauen würden diese Inklusionsmaßnahmen schließlich zusammen mit den Kindern in die Familien tragen.
"Wir möchten es in Perchtoldsdorf besonders den Frauen ermöglichen, die Kinder haben, dass sie sich einen Platz schaffen, dass sie eine Stimme finden und sich hier entwickeln können." – Elisabeth Petz-Höllrigl, Vize-Obfrau Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf
Doris Fischer-See und Elisabeth Petz-Höllrigl erzählen im Pfarrgarten über das Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf. © spendeninfo.at / Monika Knasmillner
Perchtolsdorfs erster Barista
Manche gingen wieder, viele blieben. Und bei den Gebliebenen machte sich die Unterstützung schon bald bezahlt. Die meisten der "neuen Perchtoldsdorfer", wie Petz-Höllrigl stolz erzählt, nehmen die Maßnahmen des Netzwerks sehr ernst; sehr gewissenhaft würden sie so etwa den Deutschkurs besuchen. "Das Schöne daran ist auch, dass man mit den Familien zusammenwächst", betont die Deutschkurs-Koordinatorin. Viele setzen sich selbst in der Gemeinde ein, helfen auch im Netzwerk mit, wo sie können. Worauf die Obfrau besonders stolz ist: "Durch dieses individuelle Bemühen sind alle unsere Perchtoldsdorfer in Jobs gekommen, und das wollen wir auch so weiterführen." Das Netzwerk lege dabei besonderen Wert darauf, die Menschen möglichst zu einem selbstständigen und eigenverantwortlichen Leben zu ermächtigen, ihnen die beste Grundlange zu bieten, "so dass sie später keine Unterstützung vom Staat brauchen", wie Fischer-See bekräftigt. Ein besonders positives Beispiel, das die Leiterin des Netzwerks gerne hervorhebt, ist Perchtoldsdorfs erster Barista. Durch die umfassende Unterstützung des Vereins arbeitet Kenan bereits seit der Eröffnung im Mai in einem mittlerweile sehr beliebten Kaffeehaus im Ort. Eine weitere Erfolgsgeschichte schreibt die junge Syrerin Rasha, die durch die Fördermaßnahmen des Netzwerks nicht nur Deutsch lernte, sondern heute auch einen angesehenen Job an einem großen österreichischen Bankinstitut hat. "Und das macht schon froh, wenn man sieht, was alles möglich ist", hält Petz-Höllrigl abschließend fest.