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Köstlicher Tee, bitterer Nachgeschmack

Tee zählt zu den beliebtesten Getränken der Welt. Doch die Arbeitsbedingungen für Plantagenarbeiter*innen sind in vielen Fällen katastrophal.
Frau pflückt Teeblätter
Auf den saatgrünen Feldern arbeiten Plantagenmitarbeiter*innen oft für einen Hungerlohn. © Danurwendho Adyakusuma / Unsplash
Jeden Tag machen sich Millionen von Menschen eine Tasse Tee, ganz frisch. Ein Beutel, heißes Wasser, rund 5 Minuten ziehen lassen – je nach Teesorte natürlich unterschiedlich lang. Der Aufwand, kaum der Rede wert. Die Auswahl an verschiedenen Sorten scheint unbegrenzt. Von Schwarztee, über Chai bis hin zu weißen Tee. Je nach Lust, Anlass und Laune kann ein Geschmack ausgewählt werden. Doch woher kommt der Inhalt in einem Teebeutel eigentlich? Eine Frage, die sich wohl viele Konsument*innen noch nie gestellt haben. Recherche führen Interessenten schnell in die Abgründe der Teeindustrie. Kinderarbeit, moderne Sklaverei, extreme Armut. Die Zahl an Menschenrechtsverletzungen ist kaum fassbar. Uns kostet eine Packung Tee im Schnitt drei Euro, den Pflücker*innen kostet es aber ein würdiges Leben.

Teeindustrie weltweit

Das Geschäft mit Tee ist schon ein altes und geht beispielsweise in Indien auf die britische Kolonialzeit zurück. Seit jeher ist die Nachfrage nach den grünen Blättern groß. Egal ob in den eisigen Wintermonaten oder im Sommer, als kalte Alternative, ist Tee nach Wasser das beliebteste Getränk weltweit. Rund sieben Millionen Tonnen Tee wurden 2020 auf etwa fünf Millionen Hektar Land angebaut. China, Indien und Kenia zählen zu den größten Teeproduzenten. Der Export reicht über den ganzen Globus. Auch in Österreich beziehen wir Tee aus zum Beispiel asiatischen Ländern. Allein in Indien, dem zweitgrößten Produzenten, sind 1,2 Millionen Arbeiter*innen tätig, um Tee pflücken und so die Nachfrage stillen zu können. Und das sehr oft unter prekären Umständen. Obwohl der Plantation Labour Act in Indien seit dem Jahr 1951 verpflichtende Umstände - wie medizinische Versorgung für Teepflücker*innen - festlegt, werden diese teils vorgetäuscht und nicht umgesetzt.
Teeblätter
Tee ist nach Wasser das meistkonsumierte Getränkt weltweit. © Rashid New / Unsplash

Keine fairen Arbeitsbedingungen

Beispielregion Assam, Indien: Ab Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ausgestattet mit Körben die mittels Trageriemen an der Stirn befestigt werden, arbeiten die Plantagenmitarbeiter*innen stundenlang in der prallen Sonne. Per Hand werden die wertvollen Blätter gepflückt und in das Behältnis geworfen. Schnelle Arbeit und Genauigkeit sind die Devise. Denn bezahlt wird nur per Kilogramm geernteter Ware. Umgerechnet verdient eine gute Arbeitskraft zwei bis drei Euro am Tag. Und das für gesundheitsschädliche und schwere Tätigkeiten, beschreibt der 2019 veröffentlichte Bericht "Schwarzer Tee, weisse Weste" von Oxfam Deutschland die Situation auf den Plantagen in Assam.

Die Arbeit auf den Teefeldern ist körperlich sehr anstrengend und Rückenprobleme eine der häufigen Langzeitfolgen, sowie die Gefahr von Hitzeschläge, Fieber und Giftschlangen-Bisse. Um den größtmöglichen Ernteertrag zu sichern und den größtmöglichen Profit zu schlagen, werden zudem sehr oft gefährliche Pestizide gegen Schädlinge eingesetzt, die für Hautreizungen, Asthma, Husten und Durchfall bei den Pflücker*innen sorgen. Denn Schutzkleidung gibt es keine. Kaum Sanitäranlagen und verunreinigtes Trinkwasser verschlechtern die gesundheitlichen Probleme der Arbeiter*innen zusätzlich. Arztbesuchen können sich die armutsbetroffenen Familien bei dem geringen Einkommen nicht leisten, falls ein Krankenhausbesuch dennoch notwendig ist, endet dies in der Verschuldung bei Plantagenbesitzer*innen. Ein Teufelskreis, der die Arbeiter*innen immer tiefer in die vollständige Abhängigkeit von den Besitzer*innen versetzt. Auch Kinderarbeit ist in der Teeindustrie keine Seltenheit, betont die Initiative Kinderarbeit stoppen. Denn die Armut und Bildungsferne der seit Generationen beschäftigten Familien zwingt Mädchen und Jungen regelrecht dazu zum Familieneinkommen beizutragen, um das Überleben zu sichern.
Wegen dieser Isolation und mangelnder Bildung über viele Generationen hinweg gibt es nur wenige Möglichkeiten, die Plantagen zu verlassen. Mit niedrigen Löhnen, ergänzt durch Sozialleistungen, wird das Leben der Bewohner*innen zu einem großen Teil kontrolliert. - Oxfam Deutschland
Auch Festanstellungen sind eher selten in der Industrie. Über 60 Prozent der Plantagenmitarbeiter*innen sind als Tagelöhner*innen angestellt, betont Oxfam India beispielsweise. Gerade während der Corona-Pandemie und den versetzten Lockdowns führte dies zu einer Verstärkung der Armut unter Arbeiter*innen, denn ohne Arbeit und Leistung erhielten die Familien kein Geld und in Folge keine Lebensmittel. Leicht nachvollziehbar die Schlussfolgerung für armutsbetroffene Personen, arbeiten zu gehen und eine Ansteckung mit dem Virus zu riskieren, um die Familie ernähren zu können.

Vermehrt wird zudem von sexuellen Übergriffen und Gewalt gegenüber Arbeiterinnen berichtet. Dagegen wehren? Kaum möglich. Denn die Teeernte ist für viele die einzige Einnahmequelle und der Verlust der Arbeit würde fatale Folgen für die armutsbetroffenen Familien nach sich ziehen. Auch wenn die Frauen, Männer und Kinder stundenlang für einen Hungerlohn auf den Feldern stehen. "Studien zeigen, dass Arbeiter*innen ausbeuterischen Arbeitsmustern, Kontrollmechanismen, niedrige Lohnzahlungen, erbärmliche Wohn- und Lebensbedingungen, unzureichende Trinkwasserversorgung, schlechte Sozialleistungen und fehlende Tarifverhandlungen ausgesetzt sind", so Oxfam India.
weisser Tee
Nur Unternehmen und deren Kontrolle können die Situation für Plantagenarbeiter*innen nachhaltig ändern. © Drew Jemmett / Unsplash

Unternehmen müsssen Schritte setzen

Faire Bezahlung, ausreichende Sozialleistungen, gerechte Behandlung und der Schutz von Rechten steht im Vordergrund der Arbeit von Hilfsorganisationen wie Oxfam India, um den Plantagenarbeiter*innen ein besseres Leben zu ermöglichen. Und eine Abschaffung der Kinderarbeit. Die Lösung des Problems liegt leider nicht bei dem Konsument oder der Konsumentin, sondern bei den Unternehmen, die Tee von den Plantagen beziehen.

Die Überprüfung und Transparenz der Lieferketten und Arbeitsbedingungen und die Offenlegung durch Firmen, woher der Tee bezogen wird, wären ein guter Anfang. Zudem müssen Unternehmen unter anderem "eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte abgeben, tatsächlich und potenziell nachteilige Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte ermitteln und einen funktionierenden Beschwerdemechanismus aufbauen", so Oxfam Deutschland.

Auch in Österreich wird die Forderung nach einer Durchsetzung des Lieferkettengesetzes immer lauter, damit Konzerne bei Verstößen gegen Menschenrechte und Umweltstandards haften müssen. Denn nur Unternehmen haben es in der Hand die Situation - wie etwa in der Teeindustrie - nachhaltig zu ändern.

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