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Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf

Als eine der mittlerweile zahlreichen Privatinitiativen im Bereich der Flüchtlingshilfe in Österreich schaffte das Kollektiv in Perchtoldsdorf das, woran Bund, Länder und Gemeinden seit langem scheitern.
CC BY-SA 2.0 http://bit.ly/1dsePQq
Burg Perchtoldsdorf © Ulrich Latzenhofer
Perchtoldsdorf, bekannt für seine Burg und Heurigen, liegt südlich der Stadtgrenze von Wien und ist die Heimat von knapp 15.000 Menschen. Unter ihnen mittlerweile 50 Flüchtlinge.

Zu verdanken haben sie dies einer privaten Initiative. Denn diese schafft(e) das, woran Bund, Länder und Gemeinden in Österreich seit Monaten scheitern: Nämlich menschenwürdigen Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen. Einen Ort zu schaffen, an dem die Menschen nach der Flucht auch wirklich ankommen können.

Inge Schedler, Gründerin der Initiative Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf, handelte aus Not und Überzeugung heraus. Das offensichtliche Versagen der politisch Verantwortlichen hinsichtlich der Flüchtlingsbetreuung ließ sie zuerst wütend und dann aktiv werden. Und das lange bevor das Thema in der Intensität medial vertreten war, wie es derzeit der Fall ist.

Für die engagierte Privatperson war es absehbar, dass sich die prekäre Situation der Flüchtlinge in Österreich nicht verbessern würde. Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember 2014, entschloss sie sich, dem Flüchtlingsdrama in Österreich nicht weiter tatenlos zuzusehen.

Flugblätter wurden verteilt, Unterstützer gefunden und kurzerhand, bereits am 9. Jänner, ein Informationsabend abgehalten. Mit etwas Mut zur Veränderung entstand ein Netzwerk an Personen, dass bereits im Jänner zwei Wohnungen für Flüchtlinge in Perchtoldsdorf bereitstellen konnte. Freiwillige halfen bei der Renovierung, spendeten Mobiliar und Kleidung. Im Februar zogen die neuen Mitbewohner der Marktgemeinde ein. Der Anfang einer Erfolgsgeschichte.

Einbindung der Bevölkerung

Die Einbindung der Bevölkerung und vor allem jener, die den Wohnraum zur Verfügung stellen, ist wohl das Erfolgsgeheimnis des Netzwerkes, welches mittlerweile rund 100 Personen unterstützen. Mit viel Einsatz, Learning by doing und Hilfe der Caritas und Diakonie erreichte man Erstaunliches.

Die ersten Flüchtlinge, die nach Perchtoldsdorf kamen, waren Familien. Familien mit Kindern wurden bewusst ausgewählt. Diese Personengruppe löst wesentlich weniger Ängste und Ressentiments bei skeptischen Einwohnern aus. Ein Anfang war gemacht, die Zahlen des Flüchtlingschaos' in Österreich bekamen in Perchtoldsdorf Gesichter. Mittlerweile ist die Akzeptanz in der Bevölkerung so groß, dass Geschlecht, Religion, Hautfarbe und Alter der Flüchtlinge kaum mehr eine Rolle spielen.

Die Idee der Unterbringung von Flüchtlingen in kleinen Einheiten ist ein Erfolgsrezept zur Integration: der private Vermieter kann mitentscheiden, welche Flüchtlinge aufgenommen werden. Auch ein persönliches Kennenlernen vorab ist möglich.

Hilfsangebote des Netzwerkes

Das Um und Auf ist natürlich Wohnraum. Dieser ist Voraussetzung für die Unterbringung der Flüchtlinge. Wohnraum kann auf verschiedenen Wegen zur Verfügung gestellt werden. Manche spenden den Wohnraum komplett, verlangen weder Miete noch Betriebskosten. Meistens wird der Wohnraum gespendet, die Betriebskosten werden aber übernommen. Wer dies tut, hängt vom rechtlichen Status des Flüchtlings ab. Die dritte Möglichkeit ist, Wohnraum kostengünstig zur Verfügung zu stellen. Man vermietet also ganz klassisch, wenn auch unter dem üblichen Marktpreis.

Ist der Wohnraum einmal geschaffen, beginnt die Begleitung - sowohl der Flüchtlinge als auch jener, die die Unterkunft ermöglicht haben. Einer jeden Flüchtlingsfamilie wird zumindest ein freiwilliger Betreuer zur Seite gestellt.

Prinzipiell werden privat untergebrachte Flüchtlinge in Niederösterreich im Rahmen der Grundversorgung zwar auch durch Caritas (östliches Niederösterreich) oder Diakonie (westliches Niederösterreich) betreut. Allerdings beschränkt sich die Betreuung auf eine Stunde in zwei Wochen. Natürlich viel zu wenig, um eine erfolgreiche Integration zu ermöglichen. Vor allem das Übersetzen und Ausfüllen diverser Formulare wie auch die Begleitung bei Behördenwegen ist eine Arbeit, die den Freiwilligen des Flüchtlingsnetzwerkes Perchtoldsdorf  "jede Menge Zeit und Nerven kosten", weiß Inge Schedler zu berichten.

Zeit ist Geld

Zusätzlich organisiert man für die neuen Mitbewohner Deutschkurse, die im Pfarrheim am Marktplatz stattfinden. Lernpaten helfen den Kindern nachmittags, verschiedenste Freizeitaktivitäten werden ebenso angeboten. Dieses breitgefächerte Angebot wäre ohne freiwillige Mitarbeit nicht möglich. Das Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf steht für einen niederschwelligen Zugang zur Hilfsbereitschaft. Jeder, der mitmachen will, ist herzlich willkommen. Bereits mit einer regelmäßigen Zeitspende von einer Stunde in der Woche ist viel getan.

Kontaktperson: Patricia Blaas
E-Mail: mitmachen@fluechtlingsnetzwerk.at
Telefon: 0664/841 28 23

Vieles kann mit Engagement und Freiwilligenarbeit erreicht und gemeistert werden. Aber eben nicht alles. Insofern freut sich diese private Initiative natürlich auch über Geldspenden (Spendenkonto "Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf"; IBAN: AT17 5300 0081 5500 3325).