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Den Zyklus durchbrechen

In vielen Ländern der Welt ist das Thema Menstruation so sehr tabuisiert, dass Mädchen erst am Beginn ihrer Periode über deren Existenz erfahren. NGOs versuchen den Zyklus des Schweigens zu beenden.
Tampons nebeneinander aufgereiht
Tampons, Binden oder Menstruationstassen - die Kosten für Hygieneprodukte sind vor allem für armutsbetroffene Mädchen und Frauen schwer finanzierbar. © unsplash / Natracare
Jamila ist zwölf Jahre alt, lebt in Uganda und besucht eine Schule in der Nähe ihres Dorfes. Sie ist sehr eifrig, lernt laufend mit und möchte einmal Schneiderin werden. Bei ihrem heutigen Schulweg fühlt sich Jamila irgendwie anders. Bauchziehen und Unwohlsein machen ihr zu schaffen. In der Bildungseinrichtung angekommen sucht die Schülerin die spärlich ausgestatteten Toiletten auf und versteckt sich seitdem in einer Kabine. Die junge Heranwachsende fand Blut in ihrer Unterwäsche. Was ist los mit ihr? Ist sie krank? Was soll sie machen? Aus Angst und Scham möchte sie nicht am Unterricht teilnehmen. Denn was wenn die anderen Kinder oder die Lehrerin etwas bemerken? Jamila hat ihre erste Periode bekommen. Doch das weiß sie nicht, denn über Menstruation wird in Uganda und in vielen weiteren Ländern nicht gesprochen. Das Thema Monatsblutung ist ein absolutes Tabu.
Menstruation wird weltweit missverstanden und stigmatisiert. - UNICEF
Ein Besuch von Tante Rosa, die Erdbeerwoche oder Mädchenbeschwerden - auch Personen im menstruierenden Alter hierzulande bedienen sich oft synonymen Bezeichnungen für ihre Periode um darüber zu sprechen. Wenn überhaupt darüber gesprochen wird. Denn das Thema Menstruation ist im 21. Jahrhundert teilweise noch immer mit Scham, Unsicherheit und Angst vor Verurteilung behaftet. Und das obwohl monatlich rund 1,8 Milliarden Menschen menstruieren. Die "verdeckte" Kommunikation beschreibt nur die Spitze des Eisbergs rund um das Tabuthema. Viele Heranwachsende sind während ihrer Periode unter anderem von Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung betroffen und oftmals komplett auf sich alleine gestellt. Mythen, sowie fehlende oder falsche Informationen führen zudem zu noch mehr Verwirrung und Ablehnung. "Millionen dieser Mädchen, Frauen, Transgender-Männer und nicht-binären Personen sind nicht in der Lage, ihren Menstruationszyklus würdevoll und gesund zu gestalten", betont UNICEF dabei.

Mythen und Fehlinformationen

Das größte Problem, welche die Tabuisierung des Themas vorantreibt, ist die weitläufige Verbreitung von Mythen und Fehlinformationen innerhalb verschiedener Kulturen. Die Monatsblutung gilt in Indien zum Beispiel als unrein und schmutzig. Frauen und Mädchen werden in Afghanistan so lange ignoriert und aus gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen bis die Periode wieder vorbei ist. In Äthiopien ist das Missverständnis verbreitet, dass Mädchen mit Beginn der Menstruation keine Jungfrauen mehr sind. Und in Nepal, vor allem im Westen des Landes, ist die Chhaupadi-Praktik üblich, bei der Mädchen und Frauen während ihrer Monatsblutung in separate Hütten gesperrt werden, um Fehlernten und Nutztier-Problematiken zu verhindern. Die Verurteilung und Schuldzuschreibung spiegelt die Geschlechterungleichheit und die diskriminierenden sozialen Normen gegenüber weiblichen Einwohner*innen wider. Weitreichende Folgen für die Millionen von Mädchen und Frauen zeigen sich in Schulabbrüchen, begrenzter Mobilität, Stress- bzw. Angststörungen und emotionalem Unwohlsein. "Nur etwa 57% aller Mädchen schließen in Uganda die Schule ab. Ein Grund dafür: Die Menstruation", halten Untersuchungen von Plan International Österreich beispielsweise fest.
Monatshygieneprodukte
Als Ersatz für sichere Hygieneartikel werden alte Stoffreste oder Plastiktüten eingesetzt. © unsplash / Natracare
Ein weiteres Problem zeigt sich in der Finanzierung von passenden Hygieneartikeln und auch Schmerzmitteln. Im Schnitt verbringen menstruierende Personen im Laufe ihres Lebens insgesamt drei bis acht Jahre mit der Monatsblutung. Eine extrem lange Zeit in der sie auf Binden, Tampons, Menstruationstassen oder ähnliches angewiesen sind. Armutsbetroffene Menschen können sich diese Hygieneartikel oft kaum leisten. Als Notlösung werden unter anderem alte Stoffreste, Toilettenpapier oder Plastiktüten herangezogen, welche eine Gefahr für die Gesundheit darstellen können. "Weltweit haben schätzungsweise 500 Millionen Menstruierende keinen Zugang zu hygienischen Menstruationsprodukten", so Plan International Österreich. Betroffene ziehen sich in dieser Zeit deswegen sehr zurück, vermeiden gesellschaftlichen Kontakt und auch der Besuch der Schule wird unterbrochen.

Einige versuchen aufgrund dessen unter prekären Umständen Geld zu verdienen, um sich die Produkte leisten zu können. "Periodenarmut beschreibt den Kampf, mit dem viele einkommensschwache Frauen und Mädchen konfrontiert sind, während sie versuchen, sich Menstruationsprodukte zu leisten", erläutert UNFPA die Situation. Ein Paket Binden, so Plan International Österreich, kostet in Uganda beispielsweise um die zwei US-Dollar und somit mehr als ein großer Teil der Bevölkerung in dem Land pro Tag verdient.

Zu den stigmatisierenden und finanziellen Problemen kommen auch noch die Schwierigkeiten mit den hygienischen Standards in den verschiedenen Regionen. In vielen Entwicklungsländern ist die Bevölkerung grundsätzlich schon von fehlenden Toiletten, dem eingeschränkten Zugang zu Wasserversorgung und unzureichenden Waschmöglichkeiten betroffen, was die Hygiene während der Monatsblutung zusätzlich erschwert.
Das Tabu der Menstruation führt auch dazu, dass viele Mädchen zu Hause oder in der Schule nichts über ihre Periode oder Menstruationshygiene lernen. - UNICEF
Die Tabuisierung von Menstruation ist ein weltweites Problem. Ein erster Schritt um den Schweigezyklus zu durchbrechen ist die offene, faktenbasierte Kommunikation über das Thema. Zusätzlich müssen Maßnahmen geschaffen werden, um Mädchen und Frauen aber auch deren Mitmenschen zeitgerecht über die Monatsblutung aufzuklären und so Stigmatisierung, Mythen und Vorurteile abzubauen. Ein weiterer Schritt ist die Sicherstellung von Sanitäranlagen und kostengünstigen Hygieneartikeln. Schottland setzte mit der Bereitstellung von kostenlosen Binden und Tampons in öffentlichen Gebäuden, wie etwa Schulen oder Universitäten, schon einen ersten Schritt. Ziel ist es dies in allen Ländern zu ermöglichen, um Period Poverty zu vermeiden und einen sicheren und gesunden Menstruationszyklus zu unterstützen.

NGOs im Einsatz

Viele Hilfsorganisationen setzen sich für die Aufklärung über die Monatsblutung und für die Bereitstellung von Hygieneprodukten ein. Folgend eine Auswahl:

In der Nähwerkstätte von Zukunft für Tshumbe fertigen Frauen waschbare Damenbinden an, welche nicht nur die Hygienesituation verbessern sondern auch noch den Müll, der durch Einwegprodukte anfällt, reduzieren.
Zum Projekt ➔ Nähstudio

Die Mädchen in der "Kilifi Vonwald School", welche von Harambee geleitet wird, erhalten neben Schulutensilien und regelmäßigen Mahlzeiten auch Menstruationsartikel.
Zum Projekt ➔ Kilifi Vonwald School

Ein Baustein des Programms "back to school" des Vereins Perspektive für Kinder - Uganda ist die Vergabe von Monatsbinden für benachteiligte und verwaiste Schülerinnen.  
Zum Projekt ➔ back to school

Fishnet führt ein Projekt in Kisumu, um kenianische Mädchen und Frauen über Familienplanung und Monatshygiene aufzuklären. Unter anderem werden Themen wie der Einsatz von Menstruationstassen und wiederverwendbaren Binden besprochen.
Zum Projekt ➔ Girls Project

UNICEF unterstützt Kinder in Nothilfesituationen - etwa in Kriegen oder nach Naturkatastrophen - auch durch die Verteilung von Menstruationsprodukten. Im Jahr 2020 konnten 1,2 Millionen Mädchen und Frauen aufgeklärt und ausgestattet werden.
Zum Projekt ➔ Nothilfe weltweit

In der Flüchtlingssiedlung Rhinocamp im Bezirk Arua, Uganda, setzt sich die Volkshilfe für die Sanierung und Errichtung von sanitären Anlagen ein. Durch die Sicherstellung der hygienischen Einrichtungen können u.a. Mädchen auch während ihrer Periode am Schulunterricht teilnehmen.
Zum Projekt ➔ Bildung für Mädchen